MfA_4_2021

Magazin für Amerikanistik
4. Quartal 2021
1. Indianerin als Generalgouverneurin von Kanada ernannt
Letztes Jahr im Juli ernannte Queen Elizabeth II die Inuk-Native Mary Simon zu Generalgouverneurin von Kanada. Das Amt ist im Wesentlichen eine repräsentatives (ähnlich unserem Bundespräsidenten), aber Simon ist damit die offizielle Vertreterin der englischen Königin in Kanada, das immer noch offiziell zum Commonwealth gehört.
Seit immer mehr Gräber indigener Kinder gefunden werden, die während ihres – oft erzwungenen – Aufenthalts in Residential Schools (Internaten), meist durch Krankheiten, aber auch aufgrund von Vernachlässigung und Einsamkeit gestorben sind und meist anonym verscharrt wurden, ist das Verhältnis zwischen dem kanadischen Staat und den indigenen Völkern Kanadas tief zerrüttet. Die Ernennung Mary Simons für das formal höchste Staatsamt in Kanada ist ein wichtiges Signal.
Mary Simons ist die erste kanadische Ureinwohnerin, die in ein solches Amt berufen wurde. Sie begrüßte die Gäste bei ihrer Ernennungsfeier in ihrer Muttersprache, dem Inukitut. Ihr indianischer Name ist Ningiukadluk.

2. Indigener Künstler aus Alaska gestaltet Briefmarke
Der in Alaska geborene Tlingit-Künstler Rico Worl bewarb sich erfolgreich bei einem Wettbewerb um die Gestaltung einer neuen US-Briefmarke. Im Juli 2020 war es dann soweit und die US-Post stellte das neue Motiv der Öffentlichkeit vor. Es zeigt einen Raben im Stil der Nordwestküsten-Natives, die auch die Schöpfer der Totempfähle sind, die allerdings mit dem „Marterpfahl“ nicht das Geringste zu tun haben.
Der Rabe gehört zu den zentralen mythologischen Figuren vieler indigener Völker. Ähnlich wie der Kojote bei den Prärievölkern symbolisiert er den „Trickser“, der aber auch als Transformator des Lebens angesehen wird.
Rico Worl verband mit seiner Wahl auch die Hoffnung, die amerikanische Bevölkerung stärker auf die Kultur der Tlingit und der anderen Alaska-Völker aufmerksam zu machen. Tlingit bedeutet übersetzt in unsere Begriffe „menschliche Wesen“.

3. Indianer wird Direktor des Nationalpark-Service
Als US-Präsident Joe Biden Mitte August bekannt gab, Charles F „Chuck“ Sams als neuen Direktor für den Nationalpark-Service der USA vorzuschlagen, wurde dies als historisch angesehen. Wenn Charles, ein Angehöriger des Umatilla-Volkes als Direktor bestätigt wird – woran niemand zweifelt – wird das erste Mal in der Geschichte der USA ein Indigener an der Spitze des Nationalpark-Service stehen. Diese Behörde, die für alle Nationalparks der USA zuständig ist, untersteht dem Innenministerium. Und Innenministerin ist bekanntlich die Pueblo-Indigene Deb Haaland. Man kann davon ausgehen, dass Charles sich der Verantwortung für die Natur und die indigenen Traditionen der Völker bewusst ist, die in den Nationalparks leben bzw. dort ihre Wurzeln haben.
Charles F. Sams arbeitet derzeit als Aufsichtsratsmitglied der „Nordwest Power and Conservation“ in Oregon. Er ist außerdem Adjunct Professor an der Georgetown Universität und dem Whitman College. Er hat einen Bachelor in Wirtschaftsverwaltung und einen Master in Rechtswissenschaften der eingeborenen Völker. Außerdem ist er Veteran der US-Marine. Er lebt mit seiner Frau und ihren vier Kindern auf der Umatilla Indian Reservation.

4. Sprunghafte Zunahme der indigenen Bevölkerung – woran liegt das?
Im Jahre 2010, der letzten Volkszählung kam man auf 5,2 Millionen Natives in den USA (inkl. Alaska). 2020 zählte man nun 9,7 Millionen Natives. Woher kommt dieses Vermehrungswunder?
Man vermutet nicht etwa eine Geburtenexplosion, sondern eher das Phänomen, dass inzwischen immer mehr Indigene zu ihrer Herkunft stehen. Früher wollten viele Indianer keine Indianer sein und gaben sich als Spanier, Italiener oder Mexikaner aus, um die dunklere Hautfarbe zu erklären. Inzwischen ist es aber eher „in“, indianische Wurzeln zu haben. (Anmerkung von RH: Manche Stämme haben inzwischen schon Probleme, „Möchtegern-Indianer“ abzuwehren. Das hat zum einen Imagegründe – viele finden es jetzt schick, Indianer zu sein – aber auch durchaus ganz banale monetäre. Gerade kleinere Stämme mit wenigen Angehörigen, aber guter Lage ihrer Kasinos in der Nähe größerer Städte, zahlen ihren Mitgliedern ansehnliche Gewinnbeteiligungen. Das spricht sich natürlich herum – und so mancher möchte da gerne mit am Tisch sitzen.)
Der Bevölkerungssprung hat nun Auswirkungen auf die politischen Vertretungen. Beispielsweise müssen Wahlbezirke angepasst werden, Zuschüsse des Bundes neu berechnet werden usw.

5. Colorado-Regierung hebt Tötungsbefehl von 1864 auf
Im Jahre 1864 – es hatte einige „Indianerüberfälle“ durch Dog Soldiers der Cheyenne auf Farmen gegeben – forderte der damalige Gouverneur Evans die Bürger auf, amerikanische Ureinwohner zu töten und deren Eigentum zu beschlagnahmen. Faktisch war diese Anordnung immer noch gültig. Der aktuelle Gouverneur von Colorado Jared Polis hob diese Proklamation nun offiziell auf – auch als Symbol.
Tatsächlich war die Anordnung von 1864 nie rechtmäßig, weil sie bestehenden Verträgen, aber auch der Verfassung von Colorado und der Verfassung der Vereinigten Staaten widersprach. Sie war aber eine Voraussetzung für das Massaker von Sand Creek, bei dem etwa 200 Cheyenne und Arapaho abgeschlachtet wurden – die meisten davon Frauen, Kinder und alte Menschen, weil die Krieger zu diesem Zeitpunkt auf der Jagd waren.
Der verantwortliche Gouverneur Evans regierte das Colorado-Territorium während des Bürgerkrieges. Er trat nach dem Massaker von Sand Creek zurück, weil herauskam, dass er vor dem Untersuchungsausschuss der Bundesregierung zu diesem Massaker gelogen hatte.

6. Wildfeuer in Montana zwingen Stämme zur Zusammenarbeit
Im letzten Sommer litt der amerikanische Nordwesten unter einer ungewöhnlich starken Hitzewelle, die unter anderem ausgedehnte Waldbrände mit sich brachte. Allerdings waren die Brandursachen, begünstigt durch die Trockenheit, meist menschliche Fehler, wie weggeworfene Zigarettenkippen oder leere Flaschen, die als Brennglas wirkten. Innerhalb weniger Wochen standen rund 200.000 Hektar Wald in Flammen.
Viele der betroffenen Waldgebiete lagen in Indianerreservationen. Die Feuerwehr kam gegen die Brände kaum an und so schlossen sich die Bewohner dreier Reservationen zusammen, um Häuser, Leben und kulturelle Stätten zu retten.

7. Indianische Casinos brechen mit ihrem Umsatz um 29% ein
Corona hat auch in den Reservaten seine Spuren hinterlassen. Neben Erkrankungen und Todesfällen litt vor allem die lokale Wirtschaft. So brachen die Umsätze der Casinos, die von den Stämmen betrieben werden, um 20% ein. Spielkasinos sind für viele Stämme eine der Haupteinnahmequellen und oft auch die einzigen Arbeitgeber, die in nennenswerter Zahl Arbeitsplätze anbieten können. Insofern trifft der Umsatzrückgang die Stämme schwer und Tausende Angestellte haben ihre Arbeitsplätze verloren. Man hofft nun, dass der Rückgang nur eine vorübergehende Erscheinung bleibt.

8. Neuer Präsident der Rosebud-Lakota gewählt
Ende August trat der bisherige Vize-Präsident Scott Herman gegen den Amtsinhaber Rodney Bordeaux an – und gewann mit erheblicher Stimmenmehrheit. Scott bedankte sich bei den Wählern für ihren Vertrauensbeweis und hob hervor, dass es ein fairer Wahlkampf gewesen sei und, dass er mit seinem Vorgänger in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet habe.
Scott Herman war früher Lehrer und hat an den Schulen auf der Reservation gearbeitet, bevor er in die Stammesregierung eingetreten ist. Er hat zwei Wahlperioden als Vize-Präsident amtiert und zuvor einige Perioden als Abgeordneter des Stammes. Er plant, langfristig die wirtschaftlichen Aktivitäten des Stammes, sowie die Arbeitsplatzsituation und Altersversorgung in der Reservation zu verbessern. Auch die medizinische Versorgung und die Gesundheitsversicherung für alle Stammesmitglieder sind in seinem Fokus.
Zum neuen Vize-Präsidenten wurde William „Willie“ Kindle gewählt, der bereits früher diesen Posten innehatte.

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