JohannaM

 „On the road“
Unterwegs in Montana, Nebraska, South Dakota und Wyoming
Juni 2022

Bericht: Johanna M.
Fotos: Petra R.

Ein Blick zurück:
Irgendwann im Spätsommer 2019 wird auf „unserer“ Homepage „Lakota-Indianer“ auf eine Reise in die Staaten im Sommer 2020 aufmerksam gemacht und dazu eingeladen.
„Kommst Du nie hin“, mein innerer Kommentar, und die Gedanken an die Reise traurig abgehakt.

Seit Kindertagen ist der ganze amerikanische Kontinent mein wirkliches und doch auch unwirkliches Ziel. Die DDR ist nicht gerade für Reisefreiheit bekannt!!!
Die USA - umso tiefer ist in mir der Wunsch, dieses Land kennenzulernen.
Unter anderem „Karlchen“ (May) und „Lieselotte“ (Welskopf-Henrich) wie ich sie - etwas respektlos, aber liebevoll - nenne, haben die literarischen Saatkörner dafür gelegt.
Sie sind aufgegangen – sehr vielfältig. An dieser Stelle spare ich mir Kommentare zum literarischen Wert und Unterschied beider. Für mich zählt, dass beide in mir die Liebe zu Indianern geweckt haben.

Aber, „Kommst Du nie hin“, meine Gedanken.

Doch:
Beschwingt von einem Kinobesuch („Ich war noch niemals in New York“) gehe ich nach Hause, und mir tut sich in Gedanken die Welt auf: Es soll doch 2020 eine kleinere Versicherung ausbezahlt werden!
Der Anfang einer Reise ist gesetzt … der Anfang schon, die Durchführung muss wegen der diversen Pandemiebestimmungen warten bis zum Sommer 2022.

Am 31. Mai geht es los: Treffen mit Petra R. und Michael S. am Flughafen.
Flug von Frankfurt/Main via Denver nach Billings, Montana.

Ich bin tatsächlich in den USA!
Und ich erlebe die Orte, die Menschen, die Natur mit wachen und dankbaren Sinnen.

In Billings kommt noch Regina V. in unsere kleine Gruppe.
Am ersten Tag Fahrt über einen Teil des Chief Joseph Trails hinein in den Yellowstone Nationalpark.
An den ersten Tagen sind wir dort und im Teton National Park unterwegs – really!!!
Wie viel Berichte werde ich gesehen haben – fasziniert von den Bildern. Und nun bin ich hier!
Die Natur, die Luft, die Tiere – alles sind überwältigende Eindrücke.
Manches Klischee wird bedient: Büffel einen halben Meter neben dem Auto, Bären in der Ferne,
„Tourigucker“ (= Präriehunde) am Straßenrand, immer wieder Hirsche auf beiden Straßenseiten.
Schnee und Eisschollen auf dem großen See, Geysire, Bergketten, Flüsse und Wasserfälle, Wald, auch Waldbrandspuren – vielfältiges sehen wir, und es beeindruckt mich immer wieder neu.
Vertraut durch Dokus, aber selbst das zu sehen, das ist etwas Anderes!
Michael und mir kommen dann und wann die Tränen.

Wenige Tage später werden uns alle Erlebnisse noch besonders wertvoll: Ein schweres Unwetter hat auch die Nationalparks in Mitleidenschaft gezogen. Voraussichtlich bis zum Jahresende wird Yellowstone geschlossen sein! So heißt es - und ich kann allen, die den Park besuchen wollen, nur wünschen, dass es nicht so lange dauern wird!

Wir verlassen diese wundervoll beeindruckende Gegend und fahren Richtung Thermopolis im „Cowboystaat“ Wyoming.
Unser Weg führt durch die Wind River Reservation. Dort besuchen wir Fort Washakie und die Grabstätten von Sacajawea und Chief Washakie.

„On the road again“
Wir sind „fahrendes Volk“ und ich bekomme ein winzig kleines Gespür vom Lebensgefühl vieler Amerikaner angesichts der Weite ihres Landes, die auch irgendwie „erobert“ wird, wenn wir so unterwegs sind.

Rechts und links immer wieder faszinierende Landschaftseindrücke. Oft machen wir einen „Foto-Halt“ oder fotografieren aus dem fahrenden Wagen.  
Immer wieder Namen und Orte, die vertraut klingen und so oft verbunden sind mit der Geschichte der „Besiedlung“ des Westens, die gleichbedeutend ist mit Vertreibung und Unterdrückung der verschiedenen Stämme. Ein schweres Erbe bis heute ...
Die Fahrt zum „Mato Tipila“ („Devils Tower“) müssen wir verschieben – ein heftiges Unwetter hält uns zurück.

In den vor uns liegenden Tagen werden wir öfter „verschieben“ – das gehört dazu, wenn wir unterwegs sind.
Wir sind und bleiben also „on the road again“ und sind damit ganz “echte“ Amerikaner.
Denn die sind nun einmal unterwegs – früher mit einem PS, jetzt mit sehr viel mehr … Früher fachsimpelnd über Pferde, jetzt über Bikes, Trucks, Wohnmobile … Besitzerstolz ist geblieben.
Auch solche kleinen Beobachtungen bedienen Klischees und machen unser unterwegs sein so besonders.

Inzwischen sind wir zu sechst, denn Grit und Sabine sind nun mit uns unterwegs

Und dann kommen wir zum ersten Mal bei dieser Reise zu einem „Kraftort“ der umliegenden Stämme: Mato Tipila (Wohnung des Bären) - „Devils Tower“
Wie eigentlich überall: Wir sind nicht allein unterwegs!
Es gibt viele Tafeln mit Erklärungen zum geographischen Hintergrund und zur Legende der Indianer, die diesem besonderen Berg gilt.
Der Hinweis, die Gebetstradition der Indianer zu achten, berührt mich. Überall sind in Bäumen und Gebüschen Tücher, Stoffstreifen, gelegentlich auch Tabaksbeutelchen zu sehen – „Offerings“, kleine Opfergaben.
Wir umrunden den Berg. Gerne wäre ich länger geblieben, aber es warten noch viele weitere Ziele auf uns.

„On the road again“
Heftiger Regen lässt uns die Fahrt nach Deadwood verschieben. Wir sind so eher in Rapid City.
Kurzer Blick zum „Berlin Wall Memorial“, das mich mit seiner Erinnerung an die Mauer und die vielen Todesopfer der DDR Grenzposten sehr berührt.
Am nächsten Tag haben wir einen zweiten Kraftort der Präriestämme vor uns: „Mato Paha“ – „Bear Butte“
Im Ringen um den Schutz dieses auch für Touristen beliebten Anlaufpunktes haben die Indianer einen kleinen Erfolg erzielt: es gibt mittlerweile eine nur ihnen vorbehaltene Seite.
Auf der anderen Seite also erklimmen auch wir den Berg. Auch hier immer wieder Stoffstreifen, Bandanas, Tabakbeutelchen – „Offerings“, die von Bitten, Hoffnungen und auch Dank der Indianer künden.

Ich merke irgendwann, wenn ich weiter gehen werde, wird es zur sportlichen Herausforderung. Das aber möchte ich nicht mit diesem Berg verbinden. An einem schönen Punkt mit wunderbarem Blick in die Umgebung und auch zur gegenüberliegenden „Indianerseite“ bleibe ich und werde auf die anderen warten. Es ist eine sehr schöne Stunde, die ich hier in aller Ruhe verbringen kann.

Und dann – „on the road again“
Und es wird ein „Kulturschock“: Deadwood – Westernstadt, Ort an dem „Wild Bill Hickok“ erschossen wurde. Zufällig wird kurz nach unserer Ankunft im Ort die Szene nachgestellt.
Trubel, Begeisterung – „Wild West“ at his best …

In den nächsten Tagen sind wir in der Pine-Ridge-Reservation unterwegs.
Zunächst ein Halt in Wall, um eine westernmäßig gestylte Einkaufs-„Meile“ zu besichtigen und zu nutzen, na klar!
Dann warten die Badlands (Mako Sica) auf uns. Gefühlt alle fünf Minuten halten wir an, weil es so unendlich viele beeindruckende Ausblicke gibt.
Auch ein Besuch bei Barbara Marks steht auf unserem Programm.
Sie und ihr Mann haben eine „grüne Gärtnerei“ aufgebaut und arbeiten so nachhaltig, wie es irgend möglich ist. Im Laufe der Zeit entwickeln auch einige indianische Familien Interesse daran und lassen sich entsprechend weiterbilden.
Wir fahren an der „Lakota-Waldorf-Schule“ vorbei.
Die „Red Cloud School“ wird besucht. Die Frage, ob auch auf diesem Gelände Gräber „unbekannter“ Kinder zu finden sein könnten, beschäftigt uns dabei. Die Berichte aus Kanada sind gegenwärtig.
Ein uns ganz wichtiger Besuch gilt „Wounded Knee“ – dem Erinnern an das Massaker 1890 und dem Widerstand im Frühjahr 1973.  Mit den Geschichten um die Romanhelden von Welskopf-Henrich in Kopf und Herz erlebe ich diesen Ort sehr intensiv.
An einem der Abende erleben wir die ersten Stunden des Veteranen-Powwow mit und kommen zu unserer Freude mit dem ein oder anderen Besucher in ein kurzes Gespräch. Lange klingen diese Stunden in mir nach – im wahrsten Sinne des Wortes, Trommelklang und Gesang bleiben in meinen Ohren.

Kann man überhaupt von einem „besonderen“ Erlebnis sprechen, wenn letztlich die ganze Reise so besonders ist?  
Und doch liegt es mitunter nahe: Der Besuch im Beaver Creek Valley gehört dazu: Hier hatten die Familien, die mit Crazy Horse (Tashunka Witko) unterwegs waren, ihr letztes Lager in Freiheit. Auf einem der Berge könnte (genaues ist nicht bekannt) sein Grab liegen. Wir wurden bestens informiert von Mr. Kedlacek, dessen Familie Ausgang des 19. Jahrhunderts dieses Tal erworben hat und in guter Nachbarschaft mit den Indianern lebt. Viele Jahre lang konnten die Reiter, die im Gedenken an Crazy Horse unterwegs waren, dort Station machen.

„On the road again“ – schön wäre es!
Aber: PLATTEN – und damit ist unser geplantes Begegnungsprogramm über den Haufen geworfen! Das ist bedauerlich. Doch werden wir „entschädigt“ durch eine Vielzahl anderer, ungeplanter Begegnungen mit amerikanischer Hilfebereitschaft. Dieser Tag ist eine sehr eigene gute Erinnerung.

Die Tage in Pine Ridge neigen sich und weiter geht es – Ziel die „Black Hills (Paha Sapa).
Viel Zeit verbringen wir in Fort Robinson:
Ort einer spektakulären Flucht der Cheyenne, die auch in Filmen ihre Darstellung findet.
Ort der Ermordung von Crazy Horse.
Ort eines Gefangenenlagers deutscher Soldaten nach dem 2. Weltkrieg.

Wir übernachten in Custer. Schräg gegenüber des Motels unsere „Stammkneipe“ namens „Captains Table“, an dem wir an allen drei Abenden zu Gast sind.
Die folgenden Tage gehören den Black Hills und ihrer so unterschiedlichen Landschaft. Teils Wald, teils freiere Flächen, eine Vielzahl Felsformationen sind einmal mehr eindrucksvoll in ihrer Wirkung.
Mount Rushmore und deutlich ausführlicher das Crazy Horse Memorial stehen auf unserem Programm.
Ein kleiner Spazierweg bringt uns zum „Wind Cave“, dem „Geburtsort der Lakota“, die der Legende nach hier aus dem Inneren der Erde an die Oberfläche gekommen sind. Auch hier sehen wir wieder „Offerings“, bunte Stoffstreifen im Grün der Bäume und Gebüsche.

„On the road again“,
denn an den kommenden Tagen erwarten uns weitere interessante Ziele.
Wir besuchen das „Fort Phil Kearny“ und das Schlachtfeld einer Auseinandersetzung zwischen Armee und Lakota unter Führung von Red Cloud.
Der Aufstieg zum „Medicine Wheel“ bringt uns aus sommerlicher Hitze in die Kühle der Bighorn-Berge – und in Schnee.
Einige von uns gehen nicht weiter nach oben, es mangelt unter anderem am sicheren Schuhwerk. Andere marschieren unverdrossen „kurzbehost“ in Turnschuhen weiter.
Alle von uns haben ihr eigenes gutes Erleben …
Und dann abwärts, es wird warm, es wird heiß …
Und es ist landschaftlich erneut überwältigend: Der Bighorn-Canyon ist einfach „wow“!
Der Fluss ist schlammig-braun und erinnert auch nach Tagen noch an das schwere Unwetter in den Bergen und im Yellowstone Park.

Unsere Reise neigt sich immer schneller dem Ende entgegen.
Am letzten Tag gilt unser Besuch dem „Little Bighorn Battlefield“. Ein sehr eigenes Erleben! Viele, viele Jahrzehnte nach der Schlacht sind wir hier. Es ist ein herrlicher Sommertag.
Doch ich kann es nicht vergessen: Wir stehen auf “blutgetränktem“ Boden, hören die Zikaden und auch Vogelzwitschern, Blüten leuchten im Gras. Eine scheinbare Idylle. Aber da stehen Grabsteine, dort wo man die Toten gefunden hat. Manche direkt nebeneinander, Rücken an Rücksen stehend haben die Männer versucht ihr Leben zu retten. Weiße Grabsteine erinnern an die Soldaten. Rote Steine sind den Lakota und Cheyenne gewidmet, die in Verteidigung des Lakota bzw. Cheyenneweges ihr Leben ließen. Ein riesiges Gelände erstreckt sich vor unseren Augen.
In der Nähe der Information befindet sich das Memorial, das Indianer für ihre Toten gestaltet haben.
Erinnern an einem gemeinsamen Ort, doch unterschiedlich in Gestaltung und Wertung der einstigen Schlacht.

Bevor es zum Motel geht, machen wir noch eine Kaffee-Rast in der „Trading Post“ wenige hundert Meter weiter und einen Abstecher zum Rodeo-Gelände der Crow, in deren Reservat das Little Bighorn Battlefield liegt.

Bei einem sehr guten Abendessen lassen Petra, Michael und ich diesen Tag und auch die Reise ausklingen.
Am nächsten Tag geht es für Michael und mich zurück – Billings – Denver – Frankfurt/M. und für mich dann noch nach Berlin – und etwas weiter …

Ein herzliches Dankeschön an Petra für ihre gelungene Organisation, ihr Engagement, ihre Geduld bei all unseren Fragen und bei meiner „Rattlesnake“-Phobie  – und so manches mehr …
Ein Dankeschön an die Mitreisenden, die in je ihrer Art die Reise geprägt haben.

JM

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