Verhaltensregeln

 Ein Besuch in der Pine Ridge Reservation bzw. bei der
Oglala-Lakota-Nation:
Autor des Textes:
Rudolf H.
Von uns ein großes WOPILA / Danke!

Einführung:
Wer ein Reservat eines Native American Stammes – wie hier der Lakota – besucht, betritt eine andere Welt, auch wenn das auf den ersten Blick – zur Enttäuschung einiger – nicht direkt erkennbar ist. So gibt es dort die „üblichen Restaurants“ wie Pizza Hut, Taco Bell etc. und die Leute laufen herum, wie andere Amerikaner auch. Selbst die Haut- und Haarfarbe ist kein sicheres Indiz, dass man einen „Native“ gegenübersteht, gehören doch auch Blonde und Blauäugige zum Stamm. Tatsächlich gibt es nur noch ungefähr 10% Vollblutindianer. Wer also Federn im Haar und Tipis erwartet, wird etwas enttäuscht sein. Traditionelle Kleidung findet man – wie bei uns auch – bei traditionellen Festen oder bei Powwow-Tänzen.

Trotzdem sind kulturelle Unterschiede vorhanden – und aus denen ergeben sich einige „Fettnäpfchen“, in die man als Europäer leicht tritt. Aus ihrer Sicht kämpfen die verschiedenen indigenen Kulturen seit 500 Jahren gegen eine Überfremdung durch die euro-amerikanische Kultur – und die ständige Forderung nach „Integration“ in den American Way of Life, die in der Vergangenheit zu Recht als Zwangsassimilation wahrgenommen wurde. Wie es einmal ein alter Lakota ausdrückte: „Sie haben uns unser Land weggenommen, aber das Schlimmste war, dass sie uns nie zugehört haben!“ Wer zeitgenössische Literatur von indigenen Autorinnen oder Autoren liest, der findet zwischen den Zeilen immer wieder Wut und Sehnsucht. Wut über die Ignoranz, mit der die Euro-Amerikaner die „Wilden und Heiden“ behandelt haben und die Sehnsucht, endlich als Menschen mit eigener Geschichte und Kultur als gleichwertig anerkannt zu werden.

Als Kind hörte ich von meinem Vater oft den Spruch: „Mit dem Hut in der Hand kommt man durchs ganze Land“. Für heutige Generationen vielleicht nicht mehr so geläufig, denn wer trägt heute noch einen Hut und hebt ihn, um zu grüßen, ist dies einfach eine Metapher für Respekt. Wer andere respektiert, kommt selten in Schwierigkeiten. Und das gilt ganz besonders für den Kontakt zu Indigenen, die oft eine lange Geschichte von Respektlosigkeit hinter sich haben – und entsprechend empfindlich reagieren. Dies gilt verstärkt für die traditionellen Lakota, wobei wir selten jemand ansehen, ob er oder sie nun traditionell denkt oder nicht.

Zwei Beispiele für „interkulturelle Unterschiede“:
Speziell traditionelle Lakota schauen einem oft nicht direkt in die Augen. Es gilt bei ihnen als „unhöflich“ oder respektlos, jemand zu „fixieren“. Bei uns dagegen gilt jemand als „suspekt“, der „einem nicht in die Augen schauen kann“… Es kann also passieren, dass ein Lakota-Gesprächspartner an Euch vorbeischaut. Das ist kein Zeichen für Desinteresse, sondern eher für Respekt.
Auch geben viele Lakota bei der Begrüßung tatsächlich nur die Hand – sie drücken sie aber kaum. Bei uns dagegen gilt der Händedruck als Maß für den Charakter. So mancher macht daraus deshalb einen Kraftakt. Danach wären alle Lakota aber „Schlaffies“ – und das ist ein Irrtum. Nur ist der Händedruck eigentlich keine traditionelle Begrüßung, sondern wurde von den Europäern eingeführt.


Einige Empfehlungen in Kürze, die ich anschließend ausführlich begründe:
1. Zurückhaltung ist ratsam
  •     Die Menschen dort leben ihr normales Leben – und sind keine Ausstellungsstücke in einem Zoo.

2. Fotos und Videos
  • Menschen nie ungefragt aufnehmen, auch wenn sie noch so „malerisch“ aussehen. Wenn Aufnahmen abgelehnt werden, akzeptiert man das.
  • Es gibt viele Orte und Häuser, denen man die Armut ansieht. Gerade da sollte man sehr zurückhaltend fotografieren und die Würde der Menschen nicht noch mehr verletzen.
  • Heilige Stätten sind ebenfalls zu respektieren. Auch dort nur mit Erlaubnis Aufnahmen machen. Lieber einmal zu viel, als zu wenig gefragt.
  • Bei vielen Zeremonien (sofern man als „Nicht-Indianer“ überhaupt dazu eingeladen wird) sind Fotos und Videos absolut verboten. Wer dagegen verstößt bekommt richtig Ärger.

3. Vorsicht mit „Verbesserungsvorschlägen“!
  • Seit 500 Jahren erklären Europäer und Amerikaner den Ureinwohnern, wie sie (besser) leben sollten. Das nervt… (immerhin sind sie Jahrtausende ohne unsere guten Ratschläge zurechtgekommen)

4. Vorsicht mit „Diskussionen“, speziell über politische, historische oder religiöse Themen
  • (Traditionelle) Lakota diskutieren nicht, sie erklären ihren Standpunkt, hören sich den Standpunkt der anderen an – und entscheiden sich dann. Es gilt dann als unhöflich, durch weitere Argumente etc. überzeugen zu wollen (und damit tun sich besonders Deutsche schwer.)

5. Achtet die Älteren!
  • Bei uns ist ein alter Mensch nur „nicht mehr jung“, aber für die Lakota ist Alter ein Wert an sich. Ältere behandelt man daher mit großem Respekt. Das drückt sich beispielsweise darin aus, dass Ältere bei einer Feier zuerst bedient werden oder, dass bei einem Powwow (Tanzfest) für die Älteren Klappstühle bereitgestellt werden. Auch widerspricht man keinem Älteren!

6. Benehmt Euch wie Gäste – und nicht wie Touristen

7. Zeit
  • Der Umgang mit Zeit ist dort etwas anders als bei uns. Gerade Deutsche sind ja berüchtigt für ihre Pünktlichkeit, die sie auch von anderen erwarten. Aber der Umgang mit Zeit ist bei Natives generell ein anderer. Ein gängiger Witz kokettiert damit: „Der Stammesrat trifft sich heute pünktlich – gegen Abend.“ Und so ist das auch mit allem anderen. Es kann sein, dass eine Führung oder eine Einladung pünktlich beginnt – oder eben „etwas“ später. Sich darüber aufzuregen bringt nichts.

8. Spirituelle Zeremonien
  • Das ist ein schwieriges Thema. Ob man zu einer Zeremonie eingeladen wird oder nicht, ist sehr unterschiedlich. Da sind sich die Lakota selbst nicht ganz einig. Wenn man aber eingeladen wird, dass ist es besonders wichtig, sich respektvoll zu verhalten. Ob man an bezahlten Zeremonien (z.B. Inipi-Zeremonie = Schwitzhütte) teilnimmt, muss jede und jeder selbst entscheiden. Diese „Bezahl-Events“ sind für die Touristen…

9. Umgang mit Betteln
  • Es kann (heute eher selten) vorkommen, dass man angebettelt wird. Oft geht es dabei offensichtlich um Geld für Alkohol, obwohl der im Reservat verboten ist.
  • Ich halte es so, dass ich höflich aber bestimmt ablehne. Muss aber jeder selbst entscheiden.

10. Umgang mit Geld
  • Es empfiehlt sich, nicht viel Bargeld mit sich herum zu tragen. Andererseits muss man Handarbeiten, die man unterwegs kaufen will, meist bar bezahlen.
Nähere Erläuterungen
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