Erläuterungen zu Verhaltensregeln

Erklärungen zu den Empfehlungen, für diejenigen, die mehr wissen wollen:

Zu 1.
Zurückhaltung ist ratsam
„Indianer“ sind Projektionsflächen unserer Sehnsüchte (Stichwort: heile Welt der Naturvölker). So manche bzw. mancher kommt mit der Erwartung ins „Res“, hier überall Spiritualität oder zumindest „authentische Verhaltensweisen“ zu finden. Das entspricht aber meist nicht dem Alltag der Lakota. Und der eine oder die andere Besuchende neigt dann dazu, überall nach dem „Authentischen“ zu suchen, dass sie oder er mit Indianern verbindet. Und das nervt die Einheimischen, weil sie merken, dass man sie mal wieder anders haben möchte, als sie sind. Der „Umweltheilige“ unserer Tage ist genauso ein Fantasiegebilde, wie der „edle Krieger“, den Karl May skizzierte oder der „blutrünstige, primitive Wilde“, der die Fantasien der Einwanderer beschäftigte.

 
Zu 2.
Fotos und Videos
Fotos und Videos sind heute leider oft wichtiger als die Privatsphäre anderer. Hauptsache ein „geiles Video“ bei YouTube oder Instagram eingestellt. Die Erfahrung machen leider auch viele Lakota und sind genervt. Manche machen allerdings auch ein Geschäft daraus und verlangen Geld für jede Aufnahme. Daher immer vorher fragen, ob es OK ist, ein Foto oder ein Video zu machen. Das betrifft insbesondere auch Zeremonien. Viele Zeremonien sind für Nicht-Indianer generell nicht zugänglich, weil die Lakota die Erfahrung gemacht haben, dass weiße Amerikaner und Europäer sie nicht verstehen und man damit nur die Vorurteile bestätigt. So war der „Sonnentanz“ viele Jahre verboten, weil die Selbstopferung (Piercing) der Lakota den Christen barbarisch erschien. Auch im Internet sind viele „Zeremonien“ zu finden, die entweder falsch verstanden (und kommentiert) wurden oder wie bei Karl May gleich völlig der Fantasie entspringen.

 
Zu 3.
Vorsicht mit „Verbesserungsvorschlägen“!
In den Reservationen sind – aus europäischer Sicht – viele Dinge nicht in Ordnung. Vor allem der Abfall und Schrott bringt – speziell Deutsche – gerne an ihre Toleranzgrenzen, ebenso wie der generell lockere Umgang mit materiellen Dingen. Irgendwann „muss man dann einfach mal was sagen“ – und das kommt ganz schlecht an.
Hier gilt: Andere Länder, andere Sitten! Die Lakota stören sich an den Autowracks einfach nicht. Im Gegenteil, für sie sind das potentielle Ersatzteilquellen, Spielzeuge für die Kinder oder ein Unterschlupf für die Hunde. (Und einen TÜV gibt es sowieso nicht, ebenso wenig wie eine Berufsgenossenschaft oder was wir uns sonst noch so haben einfallen lassen). Hinzu kommt, dass wir meistens die Hintergründe und die Rahmenbedingungen nicht wirklich verstehen – und Deutschland nicht Amerika ist. Allein die Entsorgung eines defekten Automobils würde viel Geld kosten, weil der nächste Schrottplatz eben nicht um die Ecke ist.
 

Zu 4.
Vorsicht mit „Diskussionen“, speziell über politische, historische oder religiöse Themen
Deutsche sind Weltmeister im Diskutieren, vor allem aber im Recht haben wollen. Hinzu kommt, dass wir heutzutage alle gelernt haben, dass man Behauptungen belegen muss („es gibt da eine Studie…“). Für Lakota gilt das aber nicht. Gerade Traditionelle lehnen „moderne“ Erklärungen ab, wenn sie nicht zu ihren Überlieferungen passen. Wenn dann der „gebildete Deutsche“ darauf besteht, dass die ersten Indianer vor 15.000 Jahren über die Beringstraße kamen, sein Lakota-Gesprächspartner aber sagt, dass sie „schon immer“ hier gelebt hätten, weil „das große Geheimnis“ ihnen dieses Land gegeben hätte, dann akzeptiert man das besser. Es gilt unter Lakota als unhöflich, Streitgespräche zu führen. Lakota legen ihren Standpunkt dar, hören sich den Standpunkt anderer an – und entscheiden sich dann, während Deutsche versuchen, mit immer neuen Argumenten ihren Gegenüber doch noch zu überzeugen, dass sie „recht haben“. Für traditionelle Lakota ist Wissenschaft einfach eine Art „Religion des weißen Mannes“, mehr nicht. Der weiße Mann darf das gerne glauben, aber seinen Wahrheitsanspruch akzeptieren Lakota deshalb noch lange nicht.

Auch neigen Lakota – wie fast alle Völker, außer den Deutschen – dazu, die eigene Vergangenheit zu glorifizieren, was auch in ein Schwarz-Weiß-Schema mündet. Auch hier empfiehlt es sich, dieses Thema lieber nicht zu vertiefen, auch wenn man viel darüber weiß.

 
Zu 5.
Achtet die Älteren!
Früher waren auch in Deutschland Ältere „Respektspersonen“. Als Hüter der Erfahrungen eines ganzen Lebens und der Überlieferungen waren sie gefragte Ratgeber und wurden entsprechend behandelt. Damals erklärte der Großvater dem Enkel die Welt, heute erklärt der Enkel dem Opa, wie er sein Smartphone bedienen muss. Wer heute etwas wissen will, fragt nicht die Großmutter, sondern Google. Für die Lakota ist das aber noch anders. Dort sind Ältere einfach Menschen, denen man Respekt und Achtung entgegenbringt.
 

Zu 6.
Benehmt Euch wie Gäste – und nicht wie Touristen
Das "Res" ist kein Club Med oder eine andere touristische Einrichtung, sondern schlicht der Ort, wo die Lakota leben. Man „bucht“ da auch kein „authentisches Indianer-Erlebnis“, sondern ist bei Menschen zu Besuch, die dort ihr ganz normales Leben führen. Am besten sieht man sich als Gast und verhält sich entsprechend. Auch die Einstellung „ich habe es aber bezahlt“ findet nicht immer volles Verständnis.


Zu 7.
Zeit
Die Lakota haben es generell nicht so mit der Uhr. Sie haben schließlich Jahrtausende ohne Uhren gelebt und sehen auch heute nicht immer die Notwendigkeit. Als wir einmal eine Einladung für 15.00 ausgesprochen hatten, kamen die meisten erst nach 18.00. Es kann auch passieren, dass ein Auto defekt ist, ein Führer krank oder sonst etwas den Plan umwirft. Damit muss man leben, wenn man im Res unterwegs ist. Hat aber auch etwas Entspannendes. Man lässt die Dinge auf sich zukommen.

 
Zu 8.
Spirituelle Zeremonien
Wie unter Punkt 2 bereits erwähnt, wird man als Außenstehender eher selten zu einer „richtigen“ Zeremonie eingeladen. Es werden aber immer wieder Zeremonien gegen Bezahlung angeboten. Unter den Lakota sind diese Angebote umstritten, denn eigentlich widerspricht das der Tradition – und sie möchten auch nicht, dass dann hier in Europa selbsternannte „Medizinmänner“ „Original-Lakota-Schwitzhütten“ anbieten. Es ist schon sehr viel an Traditionen verwässert worden, auch durch selbsternannte Schamanen, die irgendwelche Rituale – meist aus verschiedenen Kulturen – zusammenmischen, gut verschütteln und diese dann als leicht konsumierbare „Original indianische Spiritualität“ an sensationsgierige weiße Amerikaner und Europäer verscherbeln, die auf der Suche nach einem authentischen, spirituellen Erlebnis sind.

 
Zu 9.
Umgang mit Betteln
Alkohol ist bekanntlich ein großes Problem in allen Reservaten. Viele Lakota hängen an der Flasche und versuchen an Geld zu kommen – auch durch Betteln. Oft fragen sie dann nach „Geld für Essen“, aber dieses Essen ist dann eher flüssig… Es gibt einige Orte, wo man besonders mit Betteln rechnen muss. Das ist in Pine Ridge zum Beispiel auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt (Sioux Nation) oder in Nähe von Geldautomaten. Aber auch bei touristisch interessanten Stätten kann es vorkommen. Ich muss aber aus meiner Erfahrung auch sagen, dass es heute eher selten geschieht. Ich empfehle dann, entweder einen kleineren Betrag zu geben (ändern tut man eh nichts mehr) oder aber höflich abzulehnen, ggf. unter dem Hinweis, man habe kein Bargeld dabei.

 
Zu 10.
Umgang mit Geld
Es gibt dort viele Menschen, die wirklich jeden Cents mehrfach umdrehen müssen. Wie anderswo auch empfiehlt es sich daher, Geld und teure Gerätschaften (Smartphone, Videocam usw.) nicht allzu offensichtlich herumzuzeigen. So bringt man niemand auf dumme Gedanken.
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